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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 22. Januar 2013

DER SEZIERER (2011)

Originaltitel: The Mortician
Regie und Drehbuch: Gareth Maxwell Roberts, Musik: Mike Benn
Darsteller: Method Man, EJ Bonilla, Dash Mihok, Cruz Santiago, Edward Furlong, Angelic Zambrana, Dana Fuchs, David Jensen, Randal Reeder, Judy Marte, Idella Johnson, Wendell Pierce
 The Mortician
(2011) on IMDb Rotten Tomatoes: -; FSK: 16, Dauer: 85 Minuten.
Ein namenlos bleibender buckliger Mann (Method Man) arbeitet als Leichenbeschauer in einem heruntergekommenen New Yorker Vorort. Er ist ein scheuer Außenseiter, der am liebsten in Ruhe arbeiten will und sich etwas Geld dazuverdient, indem er verstorbene Haustiere ausstopft. Eines Tages bekommt er einen neuen Assistenten namens Noah (EJ Bonilla), der auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen wurde. Das Verhältnis zwischen den beiden ist zunächst eher frostig, bis der Bestatter herausfindet, daß Noahs Schwester Jenny vom brutalen lokalen Ganganführer Carver (Dash Mihok, "I Am Legend", "Silver Linings") totgeprügelt wurde und dieser auch hinter deren (und seinem) Sohn Kane (Cruz Santiago) her ist. Der Leichenbeschauer beschließt, Kane, Noah und dessen Freundin Maria (Angelic Zambrana, "Precious") zu helfen ...

Kritik:
Der Wu-Tang Clan ist vor allem für seine Rapmusik bekannt, doch seine Mitglieder versuchen sich immer wieder auch im Filmgeschäft. So eroberte Ende 2012 RZA als Regisseur und Hauptdarsteller der Eastern-Hommage "The Man with the Iron Fists" die Kinoleinwände, sein Kollege Method Man versucht sich schon seit vielen Jahren mit durchaus beachtlichem Erfolg als Schauspieler in TV-Serien wie "The Wire", "CSI" oder "Oz" und Filmen wie "Garden State" oder "Red Tails". In "Der Sezierer", dem zweiten Langfilm von Regisseur und Drehbuch-Autor Gareth Maxwell Roberts, spielt er gar die Hauptrolle und trotzt mit einer ordentlichen Leistung sogar den völlig untauglichen und kundenunfreundlichen Versuchen der Vermarkter, dieses langsame Sozialdrama mit leichten Noir-Anklängen als Thriller oder gar – angesichts des deutschen Titels – Horrorfilm zu verkaufen.

Zwar gibt es durch den Konflikt mit Carver leichte Thriller-Elemente, doch bleiben diese bis auf eine kurze (und nicht allzu logische) direkte Konfrontation stets im Hintergrund. Wichtiger ist es Roberts ganz offensichtlich, ein einigermaßen realistisches Bild des in Zeiten der Finanzkrise noch stärker als ohnehin von Armut und Gewalt geprägten Lebens der Unterprivilegierten in den ghettoähnlichen Gebieten der US-Großstädte zu zeichnen. Obwohl sich der Film dabei auf einen sehr engen Ausschnitt beschränkt, gelingt dieses Vorhaben, denn die bedrückende Atmosphäre ist eine der Stärken von "Der Sezierer". Eine zweite ist der sehr gelungene Soundtrack, der sich aus schmissigen Rock- und HipHop-Songs u.a. von Seasick Steve und der auch in einer Nebenrolle auftauchenden amerikanischen Songwriterin Dana Fuchs ("Across the Universe") sowie der gefühlvollen Musik von Mike Benn zusammensetzt.

In der Titelrolle macht sich Method Man als scheuer Leichenbeschauer mit Mutter-Komplex, wie bereits erwähnt, recht gut, auch über Dash Mihok als Bösewicht und Ex-"Terminator"-Star Edward Furlong in einem Gastauftritt kann man nicht groß klagen. Dagegen fallen etliche Nebendarsteller vor allem durch Overacting auf. In Sachen Figurenzeichnung bemüht sich Autor und Regisseur Roberts zumindest bei einigen Charakteren sichtlich, übertreibt es dabei aber auch. Der Mutter-Komplex soll dem Leichenbeschauer beispielsweise allzu offensichtlich Tiefe verleihen, wirkt aber eher aufgesetzt und dramaturgisch ziemlich überflüssig. Angesichts der Laufzeit von (ohne Abspann) nicht einmal 80 Minuten dient er wohl ohnehin eher dazu, die dünne Handlung auf Spielfilmlänge zu strecken. Dennoch ist die Beziehung, die sich inmitten der hoffnungslos erscheinenden Szenerie zwischen dem Leichenbeschauer auf der einen Seite und der kleinen Möchtegernfamilie Noah, Maria und Kane auf der anderen entwickelt, durchaus anrührend. Diese etwas späte emotionale Bindung des Zuschauers hat "Der Sezierer" auch bitter nötig, denn in der ersten Filmhälfte sorgt das ausgesprochen langsame Erzähltempo trotz der atmosphärischen Inszenierung noch vorrangig für Langeweile.

Den Film gibt es übrigens auch in einer 3D-Fassung, die ich jedoch nicht gesehen habe. Dem Vernehmen nach soll sie auch ziemlich überflüssig sein.

Fazit: "Der Sezierer" ist ein unscheinbares Sozialdrama, das eine kleine, unspektakuläre, wenig originelle und nicht immer logische Geschichte vom Rand der Gesellschaft erzählt – aber die melancholische Atmosphäre überzeugt, der Soundtrack paßt und der Film hat ganz einfach das Herz am rechten Fleck.

Wertung: 6,5 Punkte.


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