Empfohlener Beitrag

In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 10. September 2013

HAUNTER (2013)

Regie: Vincenzo Natali, Drehbuch: Brian King, Musik: Alex Khaskin
Darsteller: Abigail Breslin, Peter Outerbridge, Michelle Nolden, Peter DaCunha, David Hewlett, Stephen McHattie, Sarah Manninen, Samantha Weinstein, Eleanor Zichy, David Knoll, Martine Campbell
 Haunter
(2013) on IMDb Rotten Tomatoes: 56% (5,4); weltweites Einspielergebnis: $1,0 Mio.
FSK: 12; Dauer: 101 Minuten.
Irgendwo in der kanadischen Provinz, Mitte der 1980er Jahre: Das Leben von Lisa Johnson (Abigail Breslin, "Little Miss Sunshine") ist wahrlich grauenvoll. Am Sonntagmorgen spielt sie mit ihrem kleinen Bruder das Videospiel "Pac-Man", anschließend muß sie etwas Hausarbeit verrichten, nach dem Mittagessen übt sie auf der Klarinette Prokofjews "Peter und der Wolf" und abends steht im Fernsehen "Mord war ihr Hobby" an. Wie jetzt, das klingt gar nicht so grauenvoll? Okay, zugegeben, für sich genommen klingt es einfach nur nach Alltag – ein bißchen langweilig vielleicht, aber weißgott nicht schlimm. Lisas Problem ist, daß sie diesen langweiligen Sonntag wieder und wieder und wieder und wieder erlebt! Und ganz besonders fies ist das, da es sich ausgerechnet um den Tag vor ihrem 16. Geburtstag handelt. Von wegen, "Vorfreude ist die schönste Freude" ... Natürlich hat Lisa versucht, ihren Eltern die Situation klarzumachen, aber verständlicherweise reagieren die stets mit Befremden auf die Enthüllung. So gesehen ist Lisa fast schon erleichtert, als eines Tages die Routine durchbrochen wird: Sie hört seltsame Geräusche, dann sogar eine leise Stimme, die aus weiter Ferne ihren Namen zu rufen scheint. Doch noch ehe Lisa der Sache auf den Grund gehen kann, erhält sie von einem mysteriösen Fremden (Stephen McHattie, "Krieg der Götter") die Warnung, daß es für sie und ihre Familie böse enden werde, wenn Lisa die Geräusche nicht einfach ignoriert ...

Kritik:
Obwohl der meist in Kanada arbeitende Vincenzo Natali als Regisseur – inklusive "Haunter" – erst drei Filme gedreht hat (dazu kommen Tätigkeiten als Autor, Produzent und Storyboard Artist), hat er sich bei Genrefreunden einen guten Ruf erarbeitet: Der clevere, klaustrophobische Horrorfilm "Cube" entwickelte sich spätestens mit der Heimkinoauswertung zu einem kleinen Kulthit, sein erst 12 Jahre später folgender zweiter Spielfilm "Splice" mit Adrien Brody und Sarah Polley wurde ebenfalls recht wohlwollend aufgenommen. Nun steht die Spukgeschichte "Haunter" ins Haus und damit ein weiterer Beitrag aus dem Horror-/Mystery-Bereich. Meine Reaktion auf "Haunter" ähnelt der auf die beiden Vorgänger: Ich fühlte mich sehr ordentlich unterhalten, habe ich mich wohlig gegruselt, echte Begeisterung kam jedoch nie auf.

Geistergeschichten sind in letzter Zeit ja wieder richtig "in": "Insidious", "Die Frau in Schwarz" und "Conjuring – Die Heimsuchung" waren in den Jahren 2012 und 2013 allesamt Hits, die auch qualitativ zu überzeugen wußten, dazu gesellten sich zahlreiche Nachahmer. "Haunter" reiht sich da paßgenau ein und enthüllt stilistische Parallelen auch zu weiteren Werken wie "Silent Hill", "The Others" und ganz besonders offensichtlich Harold Ramis' Komödienklassiker "... und täglich grüßt das Murmeltier" mit Bill Murray. Dennoch haben Vincenzo Natali und Drehbuch-Autor Brian King keinen reinen Abklatsch alter Geistergeschichten geschaffen – was bei kompetenter Umsetzung sehr wohl großen Spaß machen kann, wie "Conjuring" bewies –, stattdessen gelingt es ihnen lobenswerterweise tatsächlich, aus den einzelnen Versatzstücken eine interessante, sogar halbwegs innovative und damit nie gänzlich vorhersehbare Handlung zu konstruieren. Gegen Ende wirkt zwar manche Entwicklung etwas gezwungen, dennoch geht einem die schaurig-schöne Story durchaus zu Herzen.

Dabei ist Natali die inhaltliche Nähe zu anderen Filmen sehr wohl bewußt, weshalb er zwar unvermeidliche Szenen wie buchstäblich wie von Geisterhand zuschlagende Türen oder die Benutzung eines Ouija-Bretts zur Kommunikation mit den Toten einbaut, dies aber ziemlich schnell abhandelt, um sich anschließend dem widmen zu können, das ihn wirklich interessiert: die traurige Handlung und ihre Protagonisten. Auch die Parallelen zu "... und täglich grüßt das Murmeltier" will der Regisseur möglichst gering halten, was angesichts der Prämisse keine einfache Aufgabe ist. Natali löst sie, indem er das Vorspiel sehr kurz hält und sich nicht großartig damit aufhält zu zeigen, was Lisa in all ihren Wiederholungen dieses einen Tages gemacht hat. Stattdessen präsentiert "Haunter" einen Durchlauf und bereits beim zweiten beginnen die unheimlichen Geschehnisse. Dieses Vorgehen ist allerdings so ein bißchen eine zweischneidige Angelegenheit: Einerseits kann man "Haunter" auf diese Weise sicherlich nicht vorwerfen, ein dreistes Plagiat von Ramis' Film zu sein – andererseits wirkt Lisas Verhalten nicht ganz glaubwürdig. Man fragt sich einfach die ganze Zeit über, warum sie nicht einmal dies versucht oder jenes; oder auch, warum sich ihr Klarinettenspiel allem Üben zum Trotz nicht zu verbessern scheint. Dadurch wird man immer wieder etwas aus der Handlung herausgerissen, zumal Natalis betont getragene Erzählweise mit etwas zu vielen inhaltlichen Wiederholungen dem Zuschauer reichlich Zeit zum Nachdenken läßt. Durch eine ausführlichere Einleitung hätte sich das vermeiden lassen.

Zum Glück sorgt neben der stimmungsvollen Atmosphäre auch die gelungene Besetzung dafür, daß man sich nicht allzu sehr über dieses Manko grämt. Der mittlerweile 17-jährigen Abigail Breslin scheint der schwierige Übergang vom niedlichen Kinderstar, der sie 2006 in "Little Miss Sunshine" war, zur vollwertigen Schauspielerin recht problemlos zu gelingen, "Haunter" trägt sie als Hauptdarstellerin jedenfalls mit einer vielleicht nicht überragenden, aber sehr soliden Leistung. Die Nebendarsteller spielen klar die zweite Geige, machen ihre Sache aber ebenfalls gut, allen voran Peter Outerbridge ("Silent Hill: Revelation") und Michelle Nolden ("Die Frau des Zeitreisenden") als Lisas Eltern sowie Stephen McHattie, der wieder einmal einen wunderbaren Fiesling spielt und dabei (in der Originalversion) seine bedrohlich knarzende Stimme perfekt zur Geltung bringt.

Fazit: "Haunter" ist eine stimmige, aber etwas zu gemächlich erzählte Geistergeschichte, die weniger mit Schockeffekten als mit einer gruseligen Atmosphäre und einer gefühlvollen, relativ innovativen Story punktet.

Wertung: 7 Punkte.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen