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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 25. Juni 2014

Nachruf: Eli Wallach (1915-2014)

Eli Wallach hat in fast 100 Filmen mitgespielt, doch in die Kinogeschichte ist er vor allem mit einer Rolle eingegangen: dem Banditen Tuco in Sergio Leones phantastischem Italo-Western "Zwei glorreiche Halunken". Im Englischen heißt dieses in der Internet Movie Database seit vielen Jahren in die Top10 der besten Filme aller Zeiten gewählte Meisterwerk "The Good, the Bad and the Ugly" – Tuco ist in dieser Dreifaltigkeit der Häßliche. Das mag nun nicht allzu schmeichelhaft klingen, doch der ungelenke Charme, die ungehobelte Redseligkeit und die rauhbeinige Energie, mit denen Wallach dieses skrupellose, "häßliche" Schlitzohr verkörpert und damit dem Publikum genau die richtige Zerstreuung neben dem "Guten" Clint Eastwood und dem "Bösen" Lee Van Cleef liefert, suchen ihresgleichen und sorgen mit dafür, daß Leones epischer Western so verdammt gut ist, wie er es eben ist. Am Dienstag, den 24. Juni 2014, hat Eli Wallach in seiner Heimatstadt New York sein letztes Duell im Alter von 98 Jahren verloren – denn gegen den Tod kommt noch nicht einmal Tuco an.

Wie so viele Schauspieler begann Eli Wallach seine Karriere am Theater, wo er 1951 mit einem Tony Award für seine Rolle des Alvaro in Tennessee Williams' "The Rose Tattoo" prämiert wurde. Anschließend versuchte er einige Jahre lang, sich im Fernsehen einen Namen zu machen, ehe er seine erste Filmrolle erhielt: In Elia Kazans (wiederum auf Tennessee Williams basierendem) Charakter-Drama "Baby Doll" ergatterte er 1956 gleich eine Hauptrolle und wußte an der Seite von Karl Malden und Carroll Baker zu beeindrucken. Damit hatte Eli Wallach die Eintrittskarte nach Hollywood gelöst. Der erste große Publikums-Hit folgte im Jahr 1960 mit John Sturges' Western-Klassiker "Die glorreichen Sieben". Seine überzeugende Darstellung des bösartigen Banditenanführers Calvera in diesem losen Remake des Kurosawa-Epos "Die sieben Samurai" sollte Wallachs weitere Karriere nachhaltig prägen, denn fortan war er oft auf Schurkenrollen festgelegt. "As an actor, I've played more bandits, thieves, warlords, molesters and mafioso that you could shake a stick at", sagte Wallach selbst bei der OSCAR-Verleihung 2010, bei der er mit einem Ehren-OSCAR für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde.

Glücklicherweise erkannten aber noch genügend Regisseure sein schauspielerisches Potential jenseits solch reiner Schurkenrollen, wie Wallachs Auftritte in Filmen wie John Hustons Arthur Miller-Adaption "Misfits – Nicht gesellschaftsfähig" (dem letzten Film von Clark Gable UND Marilyn Monroe), Carl Foremans Kriegsfilm "Die Sieger" (1963), Richards Brooks' auf einem Roman von Joseph Conrad basierendem Abenteuerfilm "Lord Jim" (1965) oder William Wylers kurzweiliger Gaunerkomödie "Wie klaut man eine Million?" mit Audrey Hepburn (1965) belegen. Auch im europäischen Kino war Eli Wallach nach dem riesigen Erfolg von "Zwei glorreiche Halunken" (1966) oft unterwegs, so agierte er 1965 in "Dschingis Khan", 1968 (als, natürlich, Bösewicht) in der Spencer/Hill-Westernkomödie "Vier für ein Ave Maria" oder neben Jean-Paul Belmondo in "Das Superhirn" (1969). Nebenbei trat der unglaubliche 66 Jahre lang mit der Theater-Schauspielerin Anne Jackson verheiratete Wallach auch gelegentlich im US-Fernsehen auf, nach eigener Aussage erhielt er in seiner langen Karriere für keine Rolle so viel Fanpost wie für die als Mr. Freeze in zwei Folgen der "Batman"-Serie mit Adam West.

In den 1970er Jahren ließ Eli Wallachs Erfolg zunehmend nach, zunächst war er meist in Italo-Western zu sehen, die bei weitem nicht Leone-Qualität erreichten (eine Hauptrolle in dessen "Todesmelodie" zerschlug sich, weil die Produzenten aus Finanzgründen auf der Besetzung Rod Steigers bestanden), in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts wirkte er als Nebendarsteller in Hollywood-B-Ware wie "Hexensabbat", "Das Domino Komplott", "Die Tiefe" (alle 1977) oder "Winter Kills" (1979) mit. Wallach blieb stets aktiv, doch Highlights lassen sich in seiner Filmographie ab den 1980er Jahren nur noch sporadisch finden: In der mittelmäßigen Komödie "Archie und Harry" (1986) spielte er an der Seite von Kirk Douglas und Burt Lancaster, Francis Ford Coppola holte ihn für "Der Pate, Teil III" (1990) als Don Altobello vor die Kamera, Edward Norton heuerte ihn für sein Regiedebüt "Glauben ist alles!" (2000) als Rabbi an und sein alter "Zwei glorreiche Halunken"-Leinwandpartner Clint Eastwood verschaffte ihm einen Kurzauftritt als Ladenbesitzer in seinem mehrfach OSCAR-prämierten Drama "Mystic River". In Nancy Meyers' romantischer Komödie "Liebe braucht keine Ferien" ergatterte er als väterlicher Freund von Kate Winslet sogar noch einmal eine ziemlich große Rolle, des weiteren absolvierte er gelegentliche Gastauftritte in TV-Serien wie "Emergency Room", "Studio 60 on the Sunset Strip" oder "Nurse Jackie". Seinen endgültigen Abschied von der Kinoleinwand konnte Eli Wallach im Jahr 2010 bei zwei namhaften Regisseuren feiern: Roman Polanski engagierte ihn für "Der Ghostwriter", Oliver Stone für "Wall Street: Geld schläft nicht".

Obwohl Eli Wallach in der Branche stets beliebt und respektiert war, reichte es nie für eine reguläre OSCAR-Nominierung. Auch ansonsten wurde er nicht gerade mit Auszeichnungen überhäuft, doch immerhin erhielt er fünf Emmy- und eine Golden Globe-Nominierung (letztere gleich für sein Filmdebüt mit "Baby Doll") sowie einen britischen Filmpreis BAFTA (ebenfalls für "Baby Doll", als vielversprechendster Newcomer). Aber was bedeuten schon Auszeichnungen, wenn man weiß, daß sich Filmfans weltweit immer an einen erinnern werden – dem häßlichen Tuco sei Dank ...

R.I.P. 

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