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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 6. November 2014

OCULUS (2013)

Regie: Mike Flanagan, Drehbuch: Jeff Howard und Mike Flanagan, Musik: The Newton Brothers
Darsteller: Brenton Thwaites, Karen Gillan, Rory Cochrane, Katee Sackhoff, Miguel Sandoval, Garrett Ryan, Annalise Basso
 Oculus
(2013) on IMDb Rotten Tomatoes: 75% (6,5); weltweites Einspielergebnis: $44,0 Mio.
FSK: 16, Dauer: 103 Minuten.
Als Kinder mußten Tim (Garrett Ryan, "Insidious: Chapter 2") und Kaylie Russell (Annalise Basso, TV-Serie "The Red Road") mitansehen, wie ihr von einem bösartigen Geist besessener Vater Alan (Rory Cochrane, "Argo", TV-Serie "CSI: Miami") ihre Mutter Marie (Katee Sackhoff, "Riddick") ermordete. Anschließend wollte er auch seine Kinder töten, doch Tim konnte ihm zuvorkommen. Die Polizei hielt von dieser Beschreibung des Tathergangs nicht wirklich viel und steckte Tim in eine psychiatrische Anstalt. Elf Jahre später wird der nun erwachsene Tim (Brenton Thwaites, "Maleficent") als geheilt entlassen, er selbst glaubt inzwischen, daß der Geist seiner kindlichen Einbildungskraft entsprang. Diese Überzeugung wird jedoch erschüttert, als die nun für ein Auktionshaus tätige Kaylie (Karen Gillan, "Guardians of the Galaxy") ihm nach seiner Rückkehr enthüllt, daß sie jüngst jenen antiken Spiegel aufgetrieben hat, der ihrer Überzeugung nach den blutrünstigen Geist beherbergt. Wie Tim es ihr nach den schrecklichen Geschehnissen jener Nacht vor elf Jahren versprochen hatte, fordert sie ihn auf, gemeinsam mit ihr den Tod ihrer Eltern zu rächen und den Geist für alle Zeiten in die Hölle zu schicken …

Kritik:
Wenn es um die Frage geht, was einen guten Horrorfilm ausmacht, dann scheiden sich die Geister. Während es die einen am liebsten möglichst blutig wollen wie in den guten alten Slasher-Filmen der 1970er und 1980er Jahre ("Halloween", "Freitag der 13.", "Nightmare – Mörderische Träume"), den italienischen Gialli ("Blutige Seide", "Profondo Rosso", "Tenebrae") oder der noch einmal deutlich brutaleren Folgegeneration nach der Jahrtausendwende ("Saw", "Hostel"), bevorzugen andere subtilen Grusel, wie ihn etwa die stimmungsvollen Gothic Horror-Klassiker der britischen Hammer Studios ("Dracula" mit Christopher Lee, "Frankensteins Fluch", "Die Frau in Schwarz"), die Edgar Allan Poe-Adaptionen von Roger Corman ("Die Verfluchten", "Satanas – Das Schloß der blutigen Bestie", "Das Pendel des Todes") oder unzählige Geister- und Dämonengeschichten aus aller Herren Länder ("Das Omen", "The Fog – Nebel des Grauens", "Der Exorzist", "Ring") bieten. Während die einen eine Achterbahnfahrt der Gefühle samt zahlreicher Schockmomente erwarten, legen die anderen Wert auf sorgfältig aufgebaute Atmosphäre, die es nicht nötig hat, auf die umstrittenen "Jump Scares" zu setzen, um ihr Publikum zu wohligem Grusel zu verleiten. Ich selbst bin ein erklärter Anhänger des Genres und kann fast allen Spielarten etwas abgewinnen (abgesehen von ultrabrutalen Torture Porn-Werken), solange sie nur gut gemacht sind. Dennoch entscheide ich mich bei der Wahl zwischen einem Horror- und einem Gruselfilm eigentlich immer für letzteren. Deshalb habe ich mir auch von dem in den USA recht wohlwollend rezensierten "Oculus" viel versprochen, der eigentlich alle Zutaten für einen gelungenen Gruselfilm mit sich bringt. Doch nach einem vielversprechenden Auftakt entwickelt sich der (nach dem weitgehend unbekannten "Absentia" aus dem Jahr 2011) zweite Langfilm des US-Regisseurs Mike Flanagan zu einer beträchtlichen Enttäuschung.

Das Kernproblem von "Oculus" liegt vermutlich in seiner Herkunft begründet. Denn es handelt sich um eine Spielfilm-Version des Kurzfilms "Oculus: Chapter 3 – The Man with the Plan", den Flanagan bereits 2006 realisierte. Nun habe ich selbst diesen halbstündigen Kurzfilm nicht gesehen, mir aber sagen lassen, daß er ziemlich gut funktioniert. Das kann ich mir vorstellen, denn, wie gesagt: Die Elemente für einen guten Gruselfilm sind ja alle da. Nur werden sie in dieser 100-minütigen Version unnötig in die Länge gezogen und verwässert. Dazu trägt die Erzählstruktur mit ihren zwei unterschiedlichen zeitlichen Ebenen bei, denn Flanagan wechselt immer wieder zwischen der Gegenwart mit den erwachsenen Geisterjägern Tim und Kaylie und der Vergangenheit, in der sie noch Kinder waren und erstmals auf den tödlichen Geist trafen. Grundsätzlich ist das kein verkehrtes Konzept, und wie so vieles bei "Oculus" funktioniert es eingangs ziemlich gut. Durch die bedächtige Erzählweise wird gekonnt Stimmung aufgebaut, es ist zudem recht spannend, die Puzzlestücke zusammenzusetzen und die zunächst eher ominösen Taten vor allem der erwachsenen Kaylie durch die Schrecknisse der Vergangenheit zu erklären. Doch Flanagan begeht den Fehler, dieses Puzzle zu früh aufzulösen. Bereits nach etwa einer halben Stunde kann man sich selbst zusammenreimen, was damals geschah, entsprechend werden die übertrieben ausführlichen Rückblenden ab diesem Zeitpunkt immer bedeutungsloser und lösen irgendwann nur noch Langeweile aus.

Durchweg positiv hervorheben muß man jedoch die schauspielerischen Leistungen in beiden Zeitebenen. Rory Cochrane beeindruckt als zunehmend psychopathisch auftretender Vater (und macht dabei eine bessere Figur als etwa Ryan Reynolds 2005 in einer sehr ähnlichen Rolle in "Amityville Horror"), Katee Sackhoff erleidet ihre seelischen und körperlichen Qualen als Alans Ehefrau ebenso überzeugend, auch die beiden Kinderdarsteller machen ihre Sache gut. Und in der Gegenwart geben Brenton Thwaites und Karen Gillan ein harmonisches Geschwisterpaar ab, wobei es vor allem der (in der Originalfassung) ihre Dialoge in einem beeindruckenden Sprechtempo absolut sauber vortragenden Ex-"Doctor Who"-Companion Gillan hervorragend gelingt, ihre zwischen Todesangst und grimmiger Entschlossenheit schwankende Figur sehr glaubwürdig auf die Leinwand zu bringen. Aber das ist eben nicht genug für einen guten Film. In dieser Hinsicht ist es ein wenig bezeichnend, daß Thwaites ein wenig so aussieht wie Jared Padalecki in den früheren Staffeln der Mystery-Serie "Supernatural", denn "Oculus" wirkt wie eine Doppelfolge der beliebten TV-Serie – allerdings eine schwächere. Die letztlich schlichte Geisterstory ist einfach nicht kinoreif, dafür müßte das Drehbuch deutlich besser sein.

Selbst die Hoffnung auf wenigstens ein gelungenes, vielleicht gar überraschendes Finale wird bitter enttäuscht, stattdessen läuft alles genau so ab, wie man es erwarten durfte/mußte. Allzu viele gelungene Schockmomente gibt es ob dieser Vorhersehbarkeit auch nicht, insofern kann es kaum verwundern, daß diese durch hemmungslos übertriebene Soundeffekte respektive Filmmusik künstlich überhöht werden – manche mögen sowas, für mich ist es bei Gruselfilmen ein absolutes "No-Go". Mindestens ebenso schlimm ist das Verhalten sämtlicher Charaktere. In beiden Zeitlinien überwiegen (zugegeben: nicht ganz genre-untypisch) unlogische bis dumme Handlungen, auch als Hundehalter sind die Russells absolute Versager. Die in der Theorie vielversprechenden psychologischen Elemente durch die Frage, ob sich Tim und Kaylie nicht doch alles nur einbilden, werden viel zu halbherzig angegangen und sind in dieser Form einfach überflüssig. Und je näher das Finale rückt, desto unsinniger wird das Geschehen durch den wenig originellen Kniff, daß der (optisch übrigens gelungen umgesetzte) "Spiegel-Geist" die Menschen sowieso manipulieren und lenken kann, weshalb sich sämtliche noch so raffinierte Vorsichtsmaßnahmen (die anfangs noch Hoffnung auf ein tatsächlich mal schlaues Vorgehen der Protagonisten dieses Gruselfilms machen) vorhersehbarerweise als vollkommen nutzlos erweisen. Und solche Ungereimtheiten sind in dieser geballten Form nicht mehr einfach nur ärgerlich, sondern ein absoluter Stimmungstöter.

Fazit: "Oculus" ist ein gut gespielter Gruselfilm, dem es gelingt, eine schaurige Atmosphäre aufzubauen – leider sorgt die trotz im Ansatz interessanter psychologischer Elemente bis zum Schluß klischeebehaftete und viel zu aufgeblasene Story auf Dauer für gepflegte Langeweile, die nur durch die übertrieben aufdringliche Klangkulisse durchbrochen wird.

Wertung: 4 Punkte.


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