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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 29. Januar 2015

UNBROKEN (2014)

Regie: Angelina Jolie, Drehbuch: Joel Coen, Ethan Coen, Richard LaGravanese und William Nicholson, Musik: Alexandre Desplat
Darsteller: Jack O'Connell, Domhnall Gleeson, Miyavi, Jai Courtney, Finn Wittrock, Garrett Hedlund, Luke Treadaway, Vincenzo Amato, Maddalena Ischiale, Alex Russell, C.J. Valleroy, John D'Leo
 Unbroken
(2014) on IMDb Rotten Tomatoes: 51% (6,0); weltweites Einspielergebnis: $163,5 Mio.
FSK: 12, Dauer: 137 Minuten.

Als Kind ist Louis Zamperini ein rechter Rabauke. Er klaut, prügelt sich und trinkt heimlich Alkohol, wobei er sich auch noch immer wieder von der Polizei erwischen läßt. Daß der Sohn italienischer Einwanderer in die USA von den anderen Kindern in der Schule gemobbt wird, trägt auch nicht gerade zu seiner Integration bei. Dann überredet sein älterer Bruder Pete ihn, sein offensichtliches Talent beim Wegrennen sinnvoll zu nutzen und im Laufteam der Schule zur Geltung zu bringen. Das erweise sich als grandiose Idee, denn schon bald ist Louis der beste Langstreckenläufer der Schule, wenige Jahre später darf er als 19-jähriger sogar an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin teilnehmen. Doch der Zweite Weltkrieg unterbricht seine Sportlerkarriere wenige Jahre später, Louis dient an Bord eines US-Bombers im Pazifikkrieg. Dort verunglückt das Flugzeug eines Tages über dem Meer, nach seiner Rettung gerät Louis in japanische Kriegsgefangenschaft …

Kritik:
Obwohl ihr Regiedebüt "In the Land of Blood and Honey" trotz recht ordentlicher Kritiken ein kommerzieller Reinfall war, bleibt Angelina Jolie auch bei ihrem zweiten Ausflug hinter die Kamera der Kriegsthematik treu ("In the Land of Blood and Honey" spielt im Bosnienkrieg in den 1990er Jahren). Jedoch ist auch der auf einer wahren Geschichte basierende "Unbroken" kein typischer Kriegsfilm mit großen Schlachten, stattdessen stellt er eher Randaspekte in den Vordergrund. Dabei läßt sich die klassische Dreiaktstruktur, an die sich bis heute die meisten Erzählungen mehr oder weniger konsequent halten, selten so gut nachvollziehen wie hier. Denn eigentlich ist "Unbroken" nicht ein Film, sondern drei. Der erste Akt entspricht am ehesten einem "normalen" Kriegsfilm, hier stehen Louis' Erlebnisse als Teil der Bomberbesatzung im Vordergrund; im zweiten Akt, nach der Bruchlandung des Bombers im Meer, entspinnt sich ein Survival-Drama á la "Life of Pi" oder "All Is Lost"; im letzten Akt steht die Kriegsgefangenschaft in einem wenig erbaulichen japanischen Lager im Mittelpunkt. Leider gelingt es Jolie nicht wirklich, diese drei doch ziemlich unterschiedlichen Teile zu einem homogenen Ganzen zu verbinden, zudem hat sie sich – ausgehend von der Qualität der Umsetzung – für eine falsche Schwerpunktsetzung entschieden.

Denn am besten funktioniert tatsächlich der "Kriegsfilmteil" zu Beginn. Zugegeben, der ist inhaltlich nicht weltbewegend originell, wenngleich Bomberbesatzungen – die ja eine ziemlich schizophrene Rolle innerhalb eines Krieges spielen, sind sie doch durch ihre Bombenabwürfe direkt für unzählige tote Feinde verantwortlich, ohne (sofern sie nicht abgeschossen werden) jemals direkt mit den Kampfhandlungen am Boden in Kontakt zu kommen – in Kriegsfilmen noch nicht allzu oft im Blickpunkt standen (Mike Nichols' beißende Satire "Catch-22" ist wohl die bekannteste Ausnahme). Aber die actionreiche, vom dafür mit seiner bereits zwölften OSCAR-Nominierung belohnten Kameramann Roger Deakins ("Skyfall") in beeindruckende Bilder gekleidete Inszenierung speziell jenes Luftkampfes, in den wir ganz zu Beginn ohne jede Vorwarnung hineingeworfen werden, läßt das Adrenalin steigen und baut sehr schnell eine Verbindung zu Louis und seinen Kameraden auf. Auch als es nach der Mission etwas ruhiger wird, macht Jolie in dieser Phase eigentlich alles richtig und präsentiert einen mehr als soliden Kriegsfilm.

Dann kommt es zur Bruchlandung und dem folgenden Überlebenskampf von Louis und einigen seiner Kameraden, die fast ohne Vorräte in zwei Rettungsbooten über das Meer treiben. Auch dieser Teil der Geschichte hat schöne Bilder zu bieten, doch inszenatorisch schleichen sich erste Mängel ein. Trotz überzeugender Schauspielkunst von Louis-Darsteller Jack O'Connell ("300 – Rise of an Empire"), Domhnall Gleeson ("Alles eine Frage der Zeit") und Finn Wittrock ("Noah") gelingt es Angelina Jolie niemals, die gesamte emotionale Wucht des wochenlangen verzweifelten Überlebenskampfes auf hoher See greifbar zu machen. Natürlich ist sie in den Details durch die realen Geschehnisse eingeschränkt und kann folglich keine phantastischen Sperenzchen wie in Ang Lees "Life of Pi" einflechten, dennoch: Wenn eine solch dramatische Episode in Louis Zamperinis Leben beim Zuschauer irgendwann zu kaum noch unterdrückter Langeweile führt, dann läuft da irgendetwas falsch. Und es rächt sich auch, daß Jolie die Rückblenden zu Louis' Vor-Kriegsgeschichte bereits fast komplett im ersten Akt verbraten hat (der sie gar nicht nötig gehabt hätte). Dabei würde es doch gerade in der erzwungenen Tatenlosigkeit des Rettungsbootes anbieten, daß Louis über seine Vergangenheit nachsinnt und an schönere Tage zurückdenkt. Und dem Publikum würden die Blicke auf Louis' Kindheit und seine Erlebnisse als Sportler die dringend benötigte Abwechslung von der weitgehenden Eintönigkeit des zweiten Aktes bringen. Aber das ist leider nicht der Fall.

Zum Glück werden Louis und die Zuschauer irgendwann erlöst, wobei es für Louis heißt: Vom Regen in die Traufe, denn die Rettung erfolgt durch Japaner, weshalb Louis direkt ins nächste Kriegsgefangenenlager gebracht wird – wo der Olympionike sofort zur primären Zielscheibe des sadistischen Lagerleiters Watanabe (Miyavi) wird, den die Gefangenen hinter seinem Rücken "The Bird" nennen. Dieser dritte Akt steht unübersehbar im Zentrum von Jolies Bemühungen, auch zeitlich nimmt er den größten Teil des deutlich über zweistündigen Films in Anspruch. Unglücklicherweise. Denn trotz der Erniedrigungen, die Louis immer wieder durchstehen muß, wird "Unbroken" nun erst richtig ärgerlich. Es gibt so einige großartige Kriegsgefangenenfilme: "Die Brücke am Kwai", "Gesprengte Ketten", "Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence". "Unbroken" würde gerne in dieser Liga mitspielen, das sieht man ihm jederzeit an. Nur leider versagt er dabei in so ziemlich jeder nur denkbaren Art und Weise. Sieht man sich die Stärken der genannten Klassiker an, so erkennt man schnell deren Erfolgsgeheimnisse: Großartige Schauspieler, die hervorragend geschriebene Figuren nunanciert und mit Tiefgang verkörpern dürfen; raffiniert konstruierte Drehbücher voller intelligenter Dialoge; authentische Antagonisten auf Augenhöhe. Der einzige Bereich, in dem "Unbroken" einigermaßen mithalten kann, sind die Schauspieler. Der britische Hauptdarsteller Jack O'Connell zeigt, warum er als ein kommender Weltstar gilt, und auch der japanische Popstar Miyavi liefert in seinem Filmdebüt als Louis' bubengesichtiger Peiniger eine überzeugende Leistung ab. Das Problem: "The Bird" kommt absolut nicht authentisch rüber. Er ist einfach nur ein sadistischer Bösewicht, auf dessen Motivation kaum eingegangen wird – und wenn doch einmal, dann auf eine dermaßen penetrant küchenpsychologische Art und Weise, daß es einfach nur nervt. Damit sich zwischen Louis und The Bird eine echte, glaubhafte Beziehung entwickeln könnte, bräuchte es viel mehr. Mehr erzählerischen Feinschliff, mehr Tiefgang in den Charakteren. Doch das hat "Unbroken" nicht zu bieten, übrigens auch bei Louis nicht wirklich. Stattdessen baut Jolie vollkommen auf eine fast schon altmodische Schwarzweißmalerei, die man so heutzutage selbst von Hollywood-Blockbustern nur noch selten aufgetischt bekommt (kaum zu glauben, daß die Coen-Brüder, denen wir solche Meisterwerke wie "The Big Lebowski" oder "Fargo" zu verdanken haben, am Drehbuch beteiligt waren). Hier die tapferen US-Kriegsgefangenen – dort die bösen, brutalen Japaner, die auf eine menschenwürdige Behandlung ihrer Feinde pfeifen. Wobei die Japaner Jolie offensichtlich sowieso nicht interessieren, denn außer The Bird bleiben sie eigentlich alle komplett gesichtslos. Man kann natürlich argumentieren, daß es Jolie hier vorrangig um Louis' persönliches Schicksal ging, außerdem ist es ja auch bekannt, daß die Japaner im Zweiten Weltkrieg tatsächlich nicht gerade zimperlich mit ihren Gefangenen umgingen. Dennoch, wie man es besser macht, haben "Die Brücke am Kwai" und der leider etwas in Vergessenheit geratene, vom japanischen Regisseur Nagisa Ōshima inszenierte "Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence" (mit dem Hauptdarsteller David Bowie!) bewiesen, zudem: Für einen Film, dessen übergeordnetes Thema die Vergebung ist, die speziell nach dem Krieg Louis' oberste Devise war, ist eine solch undifferenzierte Darstellung mindestens am Rande der Propaganda extrem enttäuschend. Und auf Dauer übrigens auch sehr ermüdend, zumal die Geschichte absolut nichts Neues zu bieten hat.

So bleibt unterm Strich leider nicht allzu viel Positives, was ich über "Unbroken" sagen kann. Ja, er ist schön gefilmt und der erste Akt macht Laune, aber Jolies Unvermögen, jene enge Verbindung zwischen Figuren und Publikum zu etablieren, die bei einem Film dieser Art unbedingt nötig ist, um Wirkung zu erzielen, macht ebensoviel kaputt wie die zu oberflächliche Charakterisierung der Pro- und Antagonisten, die einem spätestens ab dem dritten Akt bis auf die Hauptfigur Louis Zamperini denn auch kaum im Gedächtnis bleiben. Außerdem ist Jolies Inszenierung ziemlich einfallslos geraten; die meiste Zeit über solide, aber fast nie auch nur ansatzweise überdurchschnittlich. Lediglich in einer einzigen kurzen Szene – die ich an dieser Stelle aber nicht spoilern will (nur so viel: gemeint ist Tag 28 im Rettungsboot) – zeigt sie sich inspiriert und läßt Kameramann Deakins eine denkwürdige Bildkomposition erschaffen. Und dann wäre da noch die Sache mit den Rückblenden. Wie bereits angedeutet, bin ich mit deren Plazierung im Film sehr unzufrieden. Jolie zeigt sie allesamt bis kurz nach Beginn des zweiten Aktes, wobei sie teilweise ziemlich unmotiviert eingefügt werden und einen sogar aus dem (bis dahin noch vorhandenen) Erzählfluß reißen. Und zu allem Überfluß ignorieren sie sogar ein wichtiges, spannendes Element von Louis' Sportlerkarriere. Denn wenngleich Zamperini bei den Olympischen Spielen keine Medaille gewann, erregte er mit einer sensationellen Schlußrunde die Aufmerksamkeit Hitlers, der daraufhin um ein persönliches Treffen bat. Im Film wird das nicht einmal erwähnt, stattdessen enden die Rückblenden mit Louis' Zieleinlauf in Berlin. Mir ist rätselhaft, was Jolies Intention hinter dieser Entscheidung war. Vielleicht war es ihr einfach zu aufwendig, für eine kurze Szene einen überzeugenden Hitler-Darsteller zu engagieren (Bruno Ganz ist dafür inzwischen wirklich zu alt …); angesichts der Heldenverehrung, die Jolie für ihren Protagonisten in "Unbroken" ungehemmt betreibt, würde ich aber eher vermuten, daß ihr das Risiko zu groß erschien, Louis' Integrität durch einen höflichen Plausch mit Adolf Hitler zu kompromittieren (was natürlich albern wäre, schließlich kann man als 19-jähriger Sportler kaum ein kurzes Treffen mit dem Olympia-Gastgeber ablehnen, der zu dieser Zeit ja auch noch alles andere als international geächtet war). So oder so: Es ist ein wenig bezeichnend für einen Film, der mit mehr Mut und Inspiration richtig gut hätte werden können – es aber nicht wurde.

Fazit: "Unbroken" ist ein allzu erkennbar auf das US-Publikum zugeschnittenes Kriegs- und Survival-Drama, das zwar viele schöne Bilder liefert, dramaturgisch und emotional aber nur phasenweise überzeugen kann und am Ende gar mit plakativer Schwarzweißmalerei nervt.

Wertung: 5 Punkte.


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