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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

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Sonntag, 19. Juni 2016

Nachruf: Anton Yelchin (1989-2016)

Ich habe es bestimmt schon öfter bei ähnlichen Gelegenheiten geschrieben, aber wenngleich mir natürlich jeder Nachruf auf meinem Blog schwerfällt, ist es doch besonders schlimm, wenn jemand besonders jung stirbt, lange Zeit, bevor er privat wie auch beruflich sein volles Potential ausschöpfen konnte. Ein solcher Fall liegt auch heute wieder vor, denn mit gerade einmal 27 Jahren ist der von mir seit vielen Jahren sehr geschätzte Anton Yelchin bei einem offenbar ziemlich bizarren Autounfall gestorben. Details sind wohl noch nicht bekannt, auf die würde ich aber sowieso nicht näher eingehen, denn hier soll es um eine Würdigung seiner trotz seiner jungen Jahre beachtlichen künstlerischen Leistungen gehen.

Anton Yelchin wurde am 11. März 1989 in der Sowjetunion im damaligen Leningrad (heute St. Petersburg) geboren, seine Eltern (Weltklasse-Eiskunstläufer) wanderten jedoch gleich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in die Vereinigten Staaten von Amerika aus. Bereits als Kind stürzte sich Yelchin in die Schauspielerei, ab dem Jahr 2000 ergatterte er erste kleine Rollen in TV-Serien wie "emergency room", "Für alle Fälle Amy" oder "Practice - Die Anwälte", dazu kamen kurze Auftritte in Kinofilmen wie "15 Minuten Ruhm" (mit Robert De Niro) oder, schon deutlich größer, "Im Herz der Spinne" (an der Seite von Morgan Freeman). Erstmals nachhaltig auf sich aufmerksam machte Yelchin mit 12 Jahren als Hauptdarsteller der auf dem Stephen King-Roman "Atlantis" basierenden Mystery-Coming of Age-Geschichte "Hearts in Atlantis", in der er den jungen Bobby spielt (als Erwachsener in der Rahmengeschichte von David Morse verkörpert), der mit zwei Freunden einen aufregenden Sommer verbringt, maßgeblich geprägt von der Beziehung zu dem telekinetisch begabten Untermieter (Sir Anthony Hopkins) seiner alleinerziehenden Mutter. Für seine Leistung gewann Anton Yelchin den prestigeträchtigen "Young Artist Award", was ihm natürlich den Weg in Hollywood gut ebnete.

In den folgenden Jahren spielte er neben Justin Timberlake in "Alpha Dog" und ergatterte eine Hauptrolle in der kurzlebigen TV-Serie "Huff - Reif für die Couch"; mir persönlich fiel er erstmals mit einem weiteren Coming of Age-Film auf, dem herrlich schrulligen "Charlie Bartlett", in dem er in der Titelrolle als naseweiser Teenager Robert Downey Jr. in der Rolle seines Schulleiters das Leben schwermachte. Daß er sich schauspielerisch neben Downey hervorragend schlug, dürfte schon einiges über sein gewaltiges Potential aussagen. Der richtige Durchbruch gelang Anton Yelchin zwei Jahre später, als er im Kinosommer 2009 Teil von gleich zwei Hollywood-Großproduktionen mit gewaltigem Franchise-Potential war: "Star Trek" und "Terminator: Die Erlösung". Gut, wir wissen alle, daß der komplett in der Zukunft spielende "Terminator"-Reboot mit Christian Bale (in dem Yelchin Kyle Reese spielt, der in James Camerons Ur-"Terminator" so grandios von Michael Biehn verkörpert wurde) ziemlich in die Hose ging, aber als Mitglied der kommerziell höchst erfolgreichen "Star Trek"-Crew war ihm ein langes Leinwand-Leben in einer der weltweit beliebtesten Kinoreihen gewiß. Und als immer loyaler Enterprise-Navigator Pavel Chekov konnte er auch gleich noch seine russischen Wurzeln ehren.

Fortan konnte sich Yelchin seine Rollen unter einem großen Angebot auswählen, und während er mit "Star Trek Into Darkness" oder als "Clumsy Schlumpf"-Sprecher in den beiden "Die Schlümpfe"-Realfilm/Animationsfilm-Hybriden dem Multiplex-Publikum nahe blieb, widmete er sich ansonsten überwiegend kleineren, oft unabhängig produzierten und thematisch gern auch ziemlich schrägen Projekten. In Jodie Fosters schräger Tragikomödie "Der Biber" spielte er beispielsweise den Sohn des von Mel Gibson verkörperten depressiven Managers, im "Fright Night"-Remake wurde er zum unfreiwilligen Vampirjäger und auch in Jim Jarmuschs lakonischer Außenseiterballade "Only Lovers Left Alive" bekam er es mit den unsterblichen Blutsaugern zu tun. Besonders gut gefiel mir Yelchin in Stephen Sommers' als Folge rechtlicher Streitigkeiten leider kaum bekannter und weißgott nicht fehlerfreier, aber dennoch sehr unterhaltsamer Dean Koontz-Adaption "Odd Thomas", in der er den Titelhelden (einen 20-Jährigen, der Geister sehen kann) mit der für ihn so typischen Energie und großem Charisma interpretierte. Auch seine musikalische Seite brachte Yelchin, der als Jugendlicher selbst in einer Band war, gerne in seine Rollen ein, so als Gitarrist in William H. Macys Regiedebüt "Rudderless" oder zuletzt in dem von den Kritikern gefeierten schwarzhumorigen Horror-Thriller "Green Room", in dem seine Punkrock-Band unter Neonazis (als deren Anführer Sir Patrick Stewart agiert) und schon bald in akute Lebensgefahr gerät.

Kurzum: Anton Yelchin war ein unheimlich sympathischer und sehr talentierter Schauspieler, der bereits mit 27 Jahren beträchtliche Fußspuren im Filmbusiness hinterlassen hat und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mit Sicherheit noch Großes hätte erreichen können. So wird sein dritter und letzter Auftritt als Pavel Chekov in "Star Trek Beyond" im Juli 2016 sein Vermächtnis werden. R.I.P.

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