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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 21. März 2018

RED SPARROW (2018)

Regie: Francis Lawrence, Drehbuch: Justin Haythe, Musik: James Newton Howard
Darsteller: Jennifer Lawrence, Joel Edgerton, Matthias Schoenarts, Jeremy Irons, Ciarán Hinds, Joely Richardson, Charlotte Rampling, Sebastian Hülk, Mary-Louise Parker, Sergej Onopko, Thekla Reuten, Douglas Hodge, Bill Camp, Sakina Jaffrey, Kristof Konrad, Louis Hofmann, Joel de la Fuente
 Red Sparrow
(2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 45% (5,5); weltweites Einspielergebnis: $151,6 Mio.
FSK: 16, Dauer: 141 Minuten.

Als die russische Primaballerina Dominika Egorova (Jennifer Lawrence, "American Hustle") ihre Karriere nach einer schweren Verletzung aufgeben muß, gerät sie ziemlich in die Bredouille: Etwas anderes hat sie nie gelernt oder auch nur lernen wollen und finanziell steht sie schlecht da, zumal sie auch noch für ihre pflegebedürftige Mutter (Joely Richardson, "Snowden") sorgen muß. Da bietet ihr zwielichtiger Onkel Ivan (Matthias Schoenarts, "Am grünen Rand der Welt"), der Vizedirektor des russischen Auslandsgeheimdiensts SWR, ihr eine Chance: Sie soll einen mißliebigen Politiker verführen und sein Telefon austauschen. Dominika willigt notgedrungen ein und als die Mission (mehr oder weniger) gelingt, schickt Ivan sie zum geheimen "Sparrow"-Programm, bei dem jungen Männern und Frauen von der gestrengen Schulleiterin (Charlotte Rampling, "Melancholia") beigebracht wird, Opfer zu verführen und zu manipulieren. Obwohl die störrische Dominika nicht gerade eine vorbildliche Schülerin ist, beeindruckt sie besonders den einflußreichen General Korchnoi (Jeremy Irons, "Justice League") und erhält deshalb bald ihren ersten Auftrag als "Spatz": Sie soll den CIA-Agenten Nate Nash (Joel Edgerton, "Der große Gatsby") verführen, um so die Identität eines hochrangigen Maulwurfs in Rußland zu erfahren. Doch ist Dominika wirklich eine loyale Patriotin oder treibt sie ein doppeltes Spiel?

Kritik:
Im Grunde genommen lassen sich fast alle Filme im Spionage-Genre grob in zwei Kategorien einteilen: James Bond und John le Carré. Erstere setzen vorwiegend auf temporeiche Action und coole Gadgets, letztere verfolgen eine weit gemächlichere Erzählweise mit Schwerpunkt auf Dialogen und Charakteren. Ich persönlich mag beide Varianten, finde die le Carré-artigen Werke – bei entsprechender Qualität – jedoch befriedigender, da die Komplexität der Handlung und die vielschichtige Figurenzeichnung länger Eindruck hinterlassen als der eher im Moment begeisternde spektakuläre Unterhaltungswert James Bond-artiger Filme. "Red Sparrow" vom dreimaligen "Die Tribute von Panem"-Regisseur Francis Lawrence entpuppt sich als Vertreter der le Carré-Fraktion – jedoch ohne die hohe Qualität speziell der von dem britischen Ex-Spion selbst verfaßten Geschichten zu erreichen. Dennoch ist "Red Sparrow" basierend auf dem Roman "Operation Red Sparrow" des ehemaligen CIA-Agenten Jason Matthews ein solides Spionageabenteuer, das primär von den Qualitäten seiner großartigen Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence lebt.

Die hat zwar zugegebenermaßen nicht wirklich den zarten Körperbau einer Star-Ballerina am weltberühmten Moskauer Bolschoi-Theater, zum Glück kommt das jedoch einzig während des Prologs zum Tragen – anschließend ist ihre sportliche Karriere vorbei und eine weit weniger glamouröse neue beginnt. Jennifer Lawrence stellt die recht drastische Wandlung ihrer anfangs verständlicherweise verbitterten Figur, die von ihrem eigenen Onkel ohne echte Vorwarnung in ein wahres Haifischbecken geworfen wird, hin zu einer selbstbewußten Spionin, die Geist und Körper zu ihrem Vorteil einsetzt, so überzeugend und einfühlsam dar, wie man es von der OSCAR-Gewinnerin nicht anders erwartet. Zwar muß oder darf sie hier nicht so stark aus sich herausgehen wie zuvor in Darren Aronofskys polarisierendem Psycho-Horrordrama "mother!", eine eindrucksvolle Leistung liefert sie dennoch ab. Daß Dominikas charakterliche Entwicklung trotzdem nicht völlig glaubwürdig wirkt, liegt nicht in ihrer Verantwortung, sondern in der des Drehbuchs von Justin Haythe ("Lone Ranger") – zumindest nehme ich an, daß es nicht an der Romanvorlage liegt, denn die kann sich auf 670 Seiten natürlich wesentlich mehr Zeit für die Figurenzeichnung lassen als ein Film; selbst wenn der wie "Red Sparrow" beachtliche 140 Minuten lang ist. Es ist beispielsweise allzu offensichtlich, daß die Kinoadaption etwas zu viele Handlungsstränge des Buches integrieren will, dabei aber überfrachtet wirkt und den einzelnen Elementen nicht so viel Sorgfalt und Zeit widmen kann, wie es nötig wäre. Aber zugegeben, das ist bei einer dermaßen umfangreichen und vermutlich komplexen Vorlage auch eine echte Herausforderung für jeden Drehbuch-Autor. Vielleicht wäre es besser gewesen, ein oder zwei Nebenhandlungsstränge wegzulassen, vielleicht wäre der verbliebene Rest dann aber auch zu linear und somit zu spannungsarm ausgefallen. In der vorliegenden Form jedenfalls geht sowohl Dominikas Ausbildung in der "Spatzenschule" zu rasch vonstatten als auch ihre Beziehung zu ihrer Zielperson, dem von Joel Edgerton charismatisch verkörperten CIA-Agenten Nate.

Das ist besonders deshalb schade, weil die "Hurenschule" (in Dominikas Worten) in meinen Augen die beste Phase des Films darstellt. Wie konsequent und gnadenlos die jungen, sowohl männlichen als auch weiblichen Schüler von der von Charlotte Rampling souverän gespielten Schulleiterin – die erfreulicherweise nicht als bloße Sadistin gezeigt wird, sondern als zwar sehr strenge, aber durchaus mitfühlende Person – zuerst gebrochen und dann zu skrupellosen Elite-Spionen aufgebaut werden, ist wirklich eindrucksvoll geschildert. Alleine dieser Ausbildung hätte man problemlos einen ganzen Film widmen können. Hier wird sie jedoch in kaum einer halben Stunde abgehandelt und obwohl das zu einigen der stärksten Szenen des ganzen Films führt und Lawrence viel Raum zum Glänzen gibt (in ihrem letzten "Test" wirkt sie nicht nur auf ihren direkten Kontrahenten einschüchternd intensiv), geht es einfach deutlich zu schnell. Laut Buchautor Matthews (der 33 Jahre lang und damit bereits zu Hochzeiten des Kalten Krieges als CIA-Agent tätig war) gab es eine Art "Spatzenschule" in der Sowjetunion übrigens wirklich, allerdings bereits in den 1960er und 1970er Jahren. Daß dieses Programm hier nun mehr oder weniger in die Gegenwart verlegt wird (es gibt keine Zeitangaben, aber da im Film Disketten und ziemlich große Handys zu sehen sind, tippe ich auf Anfang des 21. Jahrhunderts), mag ein wenig an der Glaubwürdigkeit rütteln, denn bei allen Spekulationen um die geheimdienstlichen Tätigkeiten von Putins Rußland scheint es doch schwer vorstellbar, daß es dort noch eine Art "Spatzenschule" gibt. Für sich genommen wirkt das Programm jedoch durchaus sinnvoll und authentisch und damit erfüllt es innerhalb des Films absolut seinen Zweck. Problematischer ist, daß die Handlung im Mittelteil, als Dominika bereits auf Nate angesetzt ist, einige Längen aufweist. Regisseur Francis Lawrence läßt sich bei den einzelnen Szenen ziemlich viel Zeit, was der Vermittlung der bedrohlichen Noir-Atmosphäre zugutekommt; er versäumt es aber, den Figuren mehr Tiefe zu verleihen, was noch wichtiger wäre. Und auch die erwähnte Vielzahl an Handlungssträngen trägt nicht unbedingt dazu bei, die Spannung beim Publikum durchgehend aufrechtzuerhalten, die sich vor allem aus der Frage nach Dominikas wahrer Motivation speist. Zudem kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, daß das präsentierte Personengeflecht zwar sehr wohl kompliziert ist, echte Komplexität und Vielschichtigkeit aber eher vortäuscht – kein Vergleich zu den besten le Carré-Adaption wie "Der Spion, der aus der Kälte kam" oder "Dame, König, As, Spion", zumal auch die Dialoge von "Red Sparrow" niemals le Carré-Niveau erreichen.

Als Matthews sein 2013 erschienenes Buch – das Auftakt einer Trilogie ist – schrieb, konnte er nicht wissen, wie aktuell die darin behandelten Themen bei der Veröffentlichung der Verfilmung wieder sein würden. Doch durch Parallelen zur Realität mit diversen im Ausland ermordeten russischen Ex-(Doppel-)Spionen und anderen Regimegegnern sowie Ermittlungen zu möglichen Kooperationen von US-Politikern mit dem Kreml erhält "Red Sparrow" eine ungeahnte Brisanz – was speziell auf den Handlungsfaden um die Stabschefin (Mary-Louise Parker, "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford") eines US-Senators zutrifft, die Dominika und ihre erfahrenere Kollegin Marta (Thekla Reuten, "The American") als Informantin anheuern wollen. Gleichzeitig ist es grundsätzlich natürlich schon so, daß die Amerikaner hier die Guten sind und die Russen die Bösen – das mag manchem Zuschauer etwas arg platt vorkommen, ist bei einem Ex-CIA-Agenten als Autor aber kaum verwunderlich. Außerdem ist es nicht so, daß die Amerikaner strahlende Helden wären, vielmehr begehen sie bei genauer Betrachtung sogar überraschend viele Fehler und kommen so weniger kompetent rüber als ihre russischen Gegenspieler, die ihnen zudem immer einen Schritt voraus scheinen. Die beiden zwielichtigsten Figuren auf russischer Seite mögen recht stereotyp erscheinen, funktionieren als Antagonisten aber ausgezeichnet: Der Belgier Matthias Schoenarts spielt Dominikas manipulativen Onkel Ivan mit einer solchen Gefühlskälte, daß man als Zuschauer regelrecht fröstelt, während sein sadistischer Mann fürs Grobe Matorin (der deutsche Schauspieler Sebastian Hülk, "Gefährten") in den wenigen actionbetonten Momenten des Films auf handfestere Weise furchterregend ist. Eher unterfordert bleiben leider mangels viel Screentime Jeremy Irons und Ciarán Hinds ("Die Frau in Schwarz") als russische Offiziere sowie Charlotte Rampling und Mary-Louise Parker. Sollte es eine Fortsetzung geben – was ob "nur" ordentlicher Einspielergebnisse fraglich ist –, könnte man auf dem gelegten Fundament aber gut aufbauen.

Fazit: "Red Sparrow" ist ein atmosphärisches Spionagedrama, das statt auf Action vor allem auf Atmosphäre und seine gewohnt exzellente Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence baut, mit einer überfrachteten, deshalb zu oberflächlichen und nicht klischeefreien Handlung aber recht deutlich hinter den Möglichkeiten des Genres zurückbleibt.

Wertung: 7 Punkte.


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